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Newsletter Nr. 1/2023
 
 
 
Dr. Julia Inthorn
Zentrum für Gesundheitsethik an der
Ev. Akademie Loccum

Liebe Leser*innen, liebe Kolleg*innen, liebe Ethik-Interessierte,

mit dem Ausklingen der Pandemie dominieren wieder andere Themen die Diskussionen. Die Weltlage ebenso wie aktuelle Entwicklungen werfen drängende Fragen auf, die auch im Gesundheitswesen Widerhall finden. In der Versorgung von kranken und auf Hilfe angewiesenen Menschen liegt dabei eine besondere Verantwortung. Wie diese Verantwortung konkret ausgestaltet werden kann und soll, muss ethisch reflektiert werden. Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, dass Gesundheitsethik in den aktuellen Transformationsprozessen und Herausforderungen Teil der Überlegungen ist und laden Sie ein, sich ebenfalls einzubringen. Anregungen für Themen finden Sie wie gewohnt hier oder in unserem Tagungsprogramm.

Es grüßt Sie im Namen des Zentrums für Gesundheitsethik 

Julia Inthorn

 
 
Hintergrund
 
 
Gendermedizin

Gendermedizin untersucht die Auswirkungen von Geschlecht, Alter, Ethnizität, sozialer Klasse und anderen Faktoren auf die Gesundheit. Es ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich mit den biologischen, sozialen, psychologischen und kulturellen Unterschieden zwischen Menschen befasst und dabei
die bislang entwickelten Forschungsfragen, Diagnose- und Therapieansätze durch einen gendersensiblen Blick auf Gesundheit und Krankheit ergänzt. Bereits in den 1980er Jahren hatte die US-amerikanische Kardiologin Marianne Legate auf die Unterschiede der Diagnose und Behandlung von männlichen und weiblichen Personen in der Kardiologie hingewiesen. Weitere gendersensible Ausdifferenzierungen finden sich heute unter anderem in Kardiologie, Rheumatologie, Intensivmedizin, Psychiatrie, Urologie und Pharmakologie.

Ethische Fragen stellen sich dabei zum einen hinsichtlich der Bedeutung der Kategorie Geschlecht für die Behandlung. Sind medizinische Entscheidungen unabhängig von Gender und Geschlecht zu treffen oder sind diese mit einzubeziehen? Wenn es genderspezifische Krankheitsverläufe gibt – wird auf diese in angemessener Weise eingegangen? Wie muss medizinisches Personal für diese Fragestellungen sensibilisiert und qualifiziert sein? Zum anderen ist die individuelle Zuordnung zu einem Geschlecht mit ethischen Fragen verbunden. Handelt es sich hier um eine höchst private Entscheidung? Oder sind damit gesellschaftliche Aspekte grundsätzlich mitzudenken und auch auf das System der solidarischen Krankenversicherung und Kostenübernahme etwaiger Behandlungen anzuwenden? 

 
 
Gesundheitsrecht aktuell
 
 
Krankenhäuser zwischen Effizienzanspruch und Daseinsvorsorge

Die Krankenhauslandschaft soll verändert werden. Dazu liegen erste Vorschläge vor und der Prozess politischer Verhandlungen hat begonnen. Die konkurrierenden Ziele, qualitativ hervorragende Versorgung wohnortnah anzubieten, Ärzt*innen und Pflegenden ein gutes und wertschätzendes Arbeitsumfeld zu bieten und das System auch in Zukunft finanzierbar zu halten, sollen neu austariert werden. (Hintergründe und Informationen zum Thema finden Sie unter anderem hier, hier und hier) 

 
 
ZUM WEITERDENKEN
 

Die Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz wecken große Hoffnungen, lösen mitunter Ängste aus und lassen uns die Frage nach dem spezifisch menschlichen und menschlich erstrebenswerten dringlicher erscheinen. Die Thesen des KI-Experten und Robotik-Unternehmers Rafael Hostettler regen ganz neue Fragen an:

Weiterlesen
 
 
 
AKTUELLES
 
 
Leitlinie zu Über- und Unterversorgung

Sowohl Über- als auch Unterversorgung sind für Patient*innen problematisch und tragen nicht optimal zur Genesung bei. Zudem sind sie für die solidarische Finanzierung problematisch. Daher befassen sich auch Ärzt*innen damit, wie Über- und Unterversorgung im gemeinsamen Entscheidungsprozess mit Patient*innen besser begegnet werden kann. Die Leitlinie dazu wird kontinuierlich überarbeitet und die aktuelle Version wurde gerade veröffentlicht.

 
 
Ethik praktisch
 

Ethik und Algorithmen

 
 
Orte der Auseinandersetzung mit den möglichen Chancen und Risiken verschiedener Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz (KI) gibt es in großer Vielfalt. Tagungen, online-Veranstaltungen, partizipative Forschung schaffen Räume, diese Entwicklung mitzugestalten. 
 

Die Faszination des Themas ist groß, und Expert*innen werden von Veranstaltung zu Veranstaltung gereicht. Dabei wird vielfach der Dialog zwischen der technischen Seite, den Entwickler*innen sowohl in Forschung als auch in Start-Ups und etablierten Unternehmen und der philosophischen und ethischen Perspektive initiiert. Die damit aufgemachte Gegenüberstellung geht von starken Akteur*innen aus, die Veränderung gestalten und sich im Gegenüber zu Technik behaupten können. Personen, die auf Grund neuer Entwicklungen Angst um ihren Job haben und befürchten müssen, dass die Transformationsgewinne (wie so häufig) anderen Gruppen zu Gute kommen, kommen in dieser Gegenüberstellung wenig oder nicht vor. Ethische Überlegungen, die sich auf die Chancen-Risiko-Abwägung beschränken, greifen daher zu kurz. Fragen von wechselseitiger Fürsorge und Gerechtigkeit in der Ausgestaltung des Umgangs mit neuen Technologien wären eine wichtige Ergänzung.

 
 
Das Ethische Stichwort 
 
 

Gewissensvorbehalt

Dürfen Ärzt*innen eine legale und professionell akzeptierte medizinische Maßnahme ablehnen, weil sie ihren moralischen Überzeugungen widerspricht? Im englischsprachigen Raum wird diese Frage unter dem Stichwort „conscientious objection“ diskutiert. Die meisten europäischen Rechtsordnungen enthalten Klauseln, die Ärzt*innen und anderen Gesundheitsfachpersonen das Recht einräumen, die Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen, assistiertem Suizid, Präimplantationsdiagnostik oder anderen Eingriffen zu verweigern, wenn sie diese nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Auch im deutschen Medizinrecht finden sich entsprechende Vorschriften (§12 SchKG, §3a Abs. 5 ESchG, §10 ESchG).

Gewissensklauseln dienen dem Schutz der moralischen Integrität von Ärzt*innen und anderen Gesundheitsfachpersonen. Sie sollen sicherstellen, dass niemand gezwungen wird, gegen seine fundamentalen moralischen Überzeugungen zu handeln. Auf diese Weise tragen sie zugleich dazu bei, den Arztberuf und andere Gesundheitsberufe für Angehörige unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen offenzuhalten.

Das Recht, eine medizinische Maßnahme aus Gewissensgründen zu verweigern, ist jedoch nicht unumstritten. Kritiker*innen weisen darauf hin, dass sich kaum kontrollieren lässt, ob ein echter Gewissensvorbehalt vorliegt oder nicht. Wenn es Ärzt*innen, Pflegenden und Hebammen freigestellt werde, sich an bestimmten Maßnahmen zu beteiligen oder nicht, könne keine verlässliche Versorgung mehr gewährleistet werden.

Ob diese Befürchtung berechtigt ist, hängt u.a. davon ab, wie viele Angehörige der Gesundheitsberufe von ihrem Weigerungsrecht Gebrauch machen. Wo Gewissensklauseln implementiert werden, ist daher auf jeden Fall ein entsprechendes Monitoring erforderlich, um drohende Versorgungslücken zu identifizieren und bei Bedarf gegenzusteuern.

 
 
 
Kurse und Tagungen
 
Ein Anmeldeformular für unsere Kurse und Tagungen finden Sie auf unserer Website
 
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T: 0511 1241-496
E: stefanie.hennemuth@evlka.de
 
 

 
 
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